ZU DEN ARBEITEN KIRSTIN BURCKHARDTS

Anna Sabrina Schmid

Erschienen im Katalog anlässlich der Ausstellung des 36. und 37. Hamburger Arbeitsstipendium
für Bildende Kunst zu Gast in der Sammlung Falckenberg,
2018

Die Audioarbeit „Imagination is a powerful tool“ (2016, 16:39 min) von Kirstin Burckhardt ist eine auditive Reise, welche die Möglichkeiten der Imagination mittels neurowissenschaftlicher Erkenntnisse vorführt und nach dem Zusammenhang von Körper und Imaginationsfähigkeit fragt. „Imagine the stinging feeling of cutting your finger on a piece of paper“, leitet eine Stimme die Besucher*innen per Kopfhörer an. “[…] looking at a brain which is experiencing pain is not much different than looking at a brain which is imagining pain”, heißt es weiter.

 

Kirstin Burckhardts transdisziplinärer und recherchebasierter Ansatz wird auch in ihren seriellen Zeichnungen „Untitled (Antlers)“ (2015-2016) deutlich. Hier treffen spielerisch Bildende Kunst, Psychologie und Neurowissenschaft auf vielen hunderten 15×15 cm kleinen Zeichnungen zusammen, die Burckhardt fortlaufend in zweijährigen Zyklen erstellt. Erneut wird die Vorstellungskraft zum Thema, indem sie die Fähigkeit, „‚innere‘ Zustände außerhalb unserer ‚Selbst‘ zu imaginieren“ erforscht. Ausgehend von der Annahme, dass Körper und Geist keine getrennten Entitäten sind, sondern in permanenter Verschränkung existieren, entstehen einfache Strichfiguren, die den menschlichen Körper abstrahieren. Diverse Transformationen durchlaufend zitieren sie dabei Darstellungen von neuronalen Netzwerken oder zerebralen Strukturen. Auch die Figur des Doppelgängers tritt immer wieder in Erscheinung. Der Kulturwissenschaftler Marius Henderson schreibt: „Moving in and out of figuration, the drawings become disfigured figurations, always in process.“

 

Die hier angesprochene (Dis-)figuration findet bei Burckhardts jüngsten Performances gewissermaßen ihr Pendant in Form von Body(de-)identification. Sie vollzieht damit den Sprung vom Papier in den Raum und überführt die auf den Bildträger gebannten studienhaften Verformungen der Strichfiguren in zeitbezogene körperliche Bewegungen. „Grow A Body“ (2017) thematisiert die Fragen danach, wann ein Körper wem unter welchen Bedingungen gehört. Burckhardt spricht einen collagenhaften Text, der einen Bogen spannt von Selbstamputationen bis zu sexualisierten Körpern in der Unterhaltungsbranche. Eine zweite Performerin – wie die Künstlerin selbst ist auch sie maskiert – schreitet durch die frei im Raum verteilten Zuschauer*innen. Die zugehörige Publikation der Künstlerin versammelt Notizen und Zeichnungen zu Empathie, Schmerz und Imagination – eine weitere Versuchsanordnung, ein nächster Loop, um Körper und Geist zu versöhnen.

Die Rechte liegen bei der Autorin und dem Herausgeber: Behörde für Kultur und Medien Hamburg